Kurz vor Neun hieven wir die Räder und unser Gepäck in den Zug nach Bad Endorf. Unser heutiger Radtag beginnt mit einer Bahnfahrt. Ich persönlich wäre lieber geradelt. Sicher, es wäre wieder ein langer Tag geworden. Selbst wenn wir die beiden Schleifen nördlich des Chiemsees direkt von Seebruck nach Eggstätt abgekürzt hätten, wären wir mit unserer Anfahrt von Bergen wieder auf weit über 70 km gekommen. Aber warum eigentlich nicht? So aber entfällt für uns die ganze Strecke ab Chieming und wir steigen erst wieder nahe des Pelhamer Sees in den Mozart Radweg ein.
Jetzt mit etwas Abstand frage ich mich, ob es bei unserem fixen Zeitrahmen nicht klüger gewesen wäre komplett auf die Kampenwand zu verzichten. Wir hätten damit nicht nur den gestrigen Tag, sondern auch den relativ weiten Abstecher nach Bergen eingespart – Zeit, die wir für unser eigentliches Ziel, den Mozart Radweg, hätten nutzen können.
Nun aber ist es wie es ist. Von Bad Endorf kommend halten wir uns in Richtung der kleinen Seenplatte (Eggstätt-Herrnhofer-Seenplatte) nordwestlich des Chiemsees, die im Schatten des großen Bruders weitgehend unbekannt ist, ihn aber an landschaftlicher Schönheit eher noch übertrifft, beginnend damit dass hier nur wenige kleine Ortschaften an den Ufern liegen. Dieses „Schattendasein“ bekommt der Region außerordentlich gut und ich würde sie jederzeit dem Chiemsee vorziehen.
Fast ist es schon selbstverständlich geworden, dass wir auch heute wieder „unser Wetter“ haben, weiße Wölkchen am blauen Himmel und Temperaturen um die 30 Grad. Verführerisch glitzert der Pelhamer See in der Vormittagssonne, ein paar vereinzelte Badegäste am Ufer und im Wasser. Das würde mir jetzt auch gefallen! Soll ich für einen Stopp rufen? Aber wir sind erst am Anfang der Tour, noch keine 10 km geradelt und dann schon eine Badepause? Ich lasse es lieber sein und beschränke mich auf ein Bild, zumal auch nur Detlef und ich Badesachen dabei hatten. Unsere Freunde hatten unverständlicher Weise darauf verzichtet.
Schon am frühen Nachmittag erreichen wir unser Tagesziel, Brands Gästezimmer in Alteiselfing nahe Wasserburg. Nach einer kurzen Pause setzen wir uns noch einmal auf die Räder und fahren in die 4 km entfernte Stadt, die so ganz anders ist, als man es von einer oberbayerischen Kleinstadt erwartet.
Die mittelalterliche Altstadt auf der Halbinsel in der Innschleife ist vollständig erhalten, vorbildlich restauriert und könnte auch in Italien stehen mit ihren aufwändig gestalteten Fassaden, den Arkaden, den gestaffelten Giebeln und den engen, steilen Gassen. Zu dem mediterranen Ambiente passt auch die Temperatur, dazu wird die Luft immer schwüler. Der angekündigte Wetterumschwung ist nur noch eine Frage der Zeit.
Doch das erwartete Gewitter lässt noch auf sich warten. An diesem lauen Sommerabend genießen wir im Garten von Brands unser Abschiedsmenu – vollkommen unerwartet, denn dass Brands auch gehobene Küche anbietet und samstags seit Kurzem mit einem Steakabend wirbt, war eine angenehme Überraschung. Lange sitzen wir unter dem Bäumen im Biergaraten, bis uns die Müdigkeit ins Bett treibt.